Nach der glitzernden, fast schon steril-sauberen Welt Dubais landeten wir am späten Abend in Negombo, einer Küstenstadt unweit des Flughafens von Colombo. Der erste Atemzug war wie ein Schlag ins Gesicht – nicht nur wegen der drückenden tropischen Luftfeuchtigkeit, sondern vor allem wegen der Gerüche: eine Mischung aus Meer, Abgasen, Räucherwerk, Essen – und Fäulnis.
Unser Homestay lag etwas abseits vom Stadtzentrum. Unser Gastgeber Messias war bemüht und freundlich, und die kleine Veranda wurde in den nächsten Tagen unser liebster Rückzugsort. Schon nach der ersten Nacht war klar: Das hier ist eine völlig andere Welt.
Am Morgen nach unserer Ankunft beschlossen wir, zu Fuß ins Zentrum zu laufen. Auf der Karte wirkte es gar nicht so weit – in der Realität war es ein halbes Abenteuer.
Der Verkehr in Negombo ist chaotisch: Busse, Tuktuks, Motorräder, LKWs – alles gleichzeitig, in alle Richtungen, oft ohne erkennbares System. Es gibt meistens keine Bürgersteige, und die Straßenränder sind zugeparkt oder voller Hindernisse. Wir balancierten also zwischen Straßengraben und hupenden Fahrzeugen.
Die Stadt selbst war noch einmal ein Kulturschock. Müll an den Straßenrändern, offene Abwasserkanäle, in denen trübes Wasser, Abfälle und Fäkalien trieben. Auch der viel gepriesene holländische Kanal entpuppte sich leider als träge, stinkende Kloake. Abwasser und Fäkalien fließen ungefiltert in die Lagune oder ins Meer.
Wir waren ehrlich gesagt schockiert. Dieser Ort war nicht der romantische Fischerort, den uns manche Reiseführer verkauft hatten. Also entschieden wir uns, die restliche Zeit in unserem Homestay zu verbringen – auf der kleinen Veranda, die zumindest ein bisschen Ruhe bot. Von dort aus beobachteten wir die Menschen und das Treiben um uns herum.
Die Erkenntnis macht sich breit: Manchmal ist Reisen nicht nur Staunen – manchmal bedeutet es auch, Dinge auszuhalten, die man nicht erwartet hat.
Am 8. August stand der erste große Ortswechsel in Sri Lanka an. Ziel: Sigiriya, im kulturellen Dreieck, mitten im Herzen der Insel. Ursprünglich hatten wir darüber nachgedacht, ein Auto zu mieten, aber nach den ersten Eindrücken in Negombo entschieden wir: Wir nehmen einen privaten Fahrer.
Und das war definitiv die richtige Entscheidung.
Unser Fahrer Madu holte uns pünktlich ab, und schon auf den ersten Kilometern waren wir froh über diese Entscheidung. Sri Lankas Straßen sind nichts für schwache Nerven: Überholen in der Kurve, Tuk-Tuks zwischen LKWs, Kühe am Straßenrand – manchmal auch mitten auf der Fahrbahn. Für die 148 Kilometer nach Sigiriya brauchten wir über fünf Stunden.
Nach etwa vier Stunden Fahrt erreichten wir die Höhlentempel von Dambulla, eines der UNESCO-Welterben Sri Lankas. Die Anlage besteht aus fünf Hauptgrotten, die im 1. Jahrhundert v. Chr. von König Valagamba in den Fels gehauen wurden.
Schon von weitem erkennt man den Felsen von Dambulla, der sich wie ein dunkler Koloss aus der Landschaft erhebt. Am Fuß des Felsens begrüßt einen eine riesige goldene Buddhastatue, die über die gesamte Szenerie zu wachen scheint. Der Aufstieg zu den Höhlen ist steil und schweißtreibend – nicht nur wegen der Stufen, sondern auch wegen der drückenden Hitze.
Oben angekommen, betritt man eine andere Welt. Die Luft ist kühler, und ein leichter Geruch von Räucherstäbchen liegt in den Höhlen. Jede einzelne ist mit unzähligen Buddhafiguren ausgestattet – sitzend, stehend, liegend – und die Wände und Decken sind vollständig mit farbenprächtigen Malereien bedeckt. Es sind Szenen aus dem Leben Buddhas, Legenden, Mythen und kunstvolle Muster, die seit Jahrhunderten erhalten sind.
Man spürt sofort, dass dies nicht nur eine Sehenswürdigkeit für Touristen ist, sondern ein heiliger Ort. Mönche in orangeroben gehen schweigend durch die Höhlen, Pilger knien mit geschlossenen Augen vor den Statuen, Lotusblumen liegen auf kleinen Altären. Das Licht, das durch die schmalen Eingänge fällt, lässt die goldenen Figuren in einem warmen Glanz erstrahlen.
Für uns war Dambulla mehr als nur ein Stopp auf der Fahrt – es war ein erstes tiefes Eintauchen in die spirituelle Seite Sri Lankas. Der Kontrast zu Negombo hätte nicht größer sein können: Hier herrschte Stille, Ehrfurcht und eine zeitlose Atmosphäre, die einen fast vergessen ließ, in welchem Jahrhundert man sich befindet.
Von Dambulla zu unserem Ziel Sigiriya waren es nur noch knapp 20 Kilometer, aber die Fahrt dauerte fast eine Stunde; vorbei an Reisfeldern, kleinen Dörfern, über enge Straßen, zuletzt über eine holprige Schotterpiste. Wir fragten uns, ob wir hier richtig seien.
Doch dann öffnete sich der Blick, und wir standen vor einem kleinen Paradies: ein Grundstück voller exotischer Bäume, Palmen und blühender Pflanzen, in deren Schatten Hängematten gespannt waren.
Suriya, der Besitzer des Homestays, empfing uns mit einem Glas frischer Limonade. Wir bewohnen den gesamten ersten Stock, mit einer großen Veranda, von der aus wir direkt auf den berühmten Löwenfelsen von Sigiriya blicken können. Im Hintergrund hört man das Konzert des Dschungels: Die Rufe von Affen, das Zirpen der Grillen, Rascheln der Blätter und die Gesänge exotischer Vögel.
Wir kamen pünktlich zum Geburtstag von Irene an – und im Homestay passierte ein kleiner Zufall: In einem der anderen Zimmer wohnte eine holländische Familie, deren Mutter ebenfalls am 9. August Geburtstag hatte.
Suriya organisierte kurzerhand eine Torte, und wir verbrachten den Abend zusammen, tauschten Reisegeschichten aus und lachten viel. Es war einer dieser unerwarteten Begegnungsmomente, die Reisen so besonders machen.
Am nächsten Morgen stand Madu wieder vor der Tür, bereit, uns in die alte Königsstadt Anuradhapura zu bringen. Die Fahrt führte durch endlose grüne Landschaften, vorbei an kleinen Dörfern, Feldern und Seen. Als wir die weite Ebene erreichten, tauchten zwischen den Bäumen plötzlich die gewaltigen weißen Kuppeln der Stupas auf – strahlend in der Sonne, wie überirdische Erscheinungen.
Anuradhapura ist nicht nur eine Ruinenstadt. Sie war über 1.000 Jahre lang die Hauptstadt der singhalesischen Königreiche und gilt bis heute als das spirituelle Herz Sri Lankas. Es ist ein lebendiger Pilgerort. Hier stehen gigantische Stupas, deren weiße oder rötlich-braune Kuppeln in der Sonne leuchten. Manche sind so groß, dass man fast den Hals verrenkt, um bis zur Spitze zu schauen. Zwischen den Tempeln liegen alte Klosteranlagen, kunstvoll gemeißelte Steintreppen, uralte Wasserbecken und steinerne Reliefs, die Geschichten aus einer fernen Zeit erzählen. Für Buddhisten aus aller Welt ist es ein Pilgerort – vergleichbar mit Mekka oder Jerusalem für andere Religionen.
Wir hatten das Glück – oder vielleicht auch die Fügung –, genau am buddhistischen Vollmondfest Nikini Poya dort zu sein, und so waren wir auch ziemlich die einzigen Ausländer an den heiligen Orten. Tausende in weiß gewandeter Pilger beteten, brachten Früchte oder Lotusblumen als Opfergaben dar und umrundeten die Stupasl. Manche kamen in großen Gruppen, andere ganz still für sich. Die Sonne brannte, aber niemand schien es zu beachten. Hier herrschte eine Ruhe, die mitten im Trubel lag – als würde jeder Schritt, jedes Blinzeln, jedes Opfer Teil eines jahrtausendesalten Rituals sein. Wir mischten uns kurzerhand unter sie und wurden freundlich aufgenommen. Barfuß und im Uhrzeigersinn – wie es die Tradition verlangt - umrundeten wir die gewaltigen Stupas Ruwanwelisaya, mit ihrem leuchtend weißen Kuppeldach, und Jetavanaramaya, einst eines der höchsten Bauwerke der antiken Welt.
Es waren tief bewegende Momente, in denen wir das Gefühl hatten, für einen kurzen Augenblick Teil von etwas sehr Altem und Bedeutendem zu sein.
Unser Weg führte uns zum Abschluss zum Sri Maha Bodhi – einem Baum, der seit über 2.300 Jahren wächst. Er soll aus einem Ableger jenes Baumes stammen, unter dem Buddha in Indien seine Erleuchtung erlangt hat.
Es heißt, dass dieser Ableger im Jahr 288 v. Chr. von einer buddhistischen Nonne nach Sri Lanka gebracht wurde – und dass er seither ununterbrochen gepflegt, verehrt und beschützt wird.
Anuradhapura hinterlässt in uns dieses Gefühl, an einem Ort gewesen zu sein, der größer ist als wir, größer als unsere Reise, größer als das Hier und Jetzt. Anuradhapura hat uns nicht nur beeindruckt – es hat uns berührt. Es war einer dieser seltenen Momente auf Reisen, in denen man merkt, dass man nicht nur einen Ort besucht, sondern dass der Ort auch einen selbst besucht.
Am Abend kehrten wir erschöpft, aber glücklich nach Sigiriya zurück. Wir verabschiedeten uns von unserem Fahrer Madu und beschlossen, an diesem wundervollen Ort noch ein paar Tage zu bleiben.
Am Sonntag taten wir einfach mal gar nichts. Die Kinder durften ausschlafen, das Frühstück gab es erst um 11 Uhr. Später haben wir zu Fuß ein bisschen die Gegend erkundet.
Wir genießen es, einfach mal im Hier und Jetzt zu sein, ohne Programm.
Doch abends wartete etwas ganz besonders Authentisches auf uns: Wir kochten gemeinsam mit Suriya und seiner Frau – original singhalesische Küche: verschiedene Currys mit Gemüse, das wir noch nie gesehen haben, mit frischen Kokosnüssen, Curryblättern und jeder Menge Gewürze und exotischen Zutaten. Zubereitet auf offenem Feuer in Suriyas bescheidener Küche. Das war wirklich ein authentischer Einblick in das Leben hier in Sri Lanka.
Nach dem Abendessen passierte dann etwas Unerwartetes: Einige Elefanten wurden an der Straße gesichtet. Suriya und seine Nachbarn waren plötzlich sehr angespannt, insbesondere der benachbarte Bauer bangte um seine Felder. Wir wurden gebeten, auf der Veranda zu bleiben und nicht mehr hinauszugehen. Das taten wir natürlich, und tatsächlich trotten vier Elefanten direkt vor dem Garten unserer Unterkunft vorbei. Für uns, die wir die Dickhäuter nur aus dem Zoo kennen, ein absoluter Gänsehautmoment. Für den Farmer, der seine Ernte verloren hat, ein düsterer Tag.
Früh am Morgen machten wir uns auf, um den 4 km entfernt liegenden Pidurangula-Felsen zu besteigen, von dem man einen wunderbaren Blick auf den leider ziemlich überlaufenen Lions Rock hat, auf dem sich einst ein Königspalast befunden hat. Wir hatten zuvor überlegt, den Lions rock selbst zu besteigen, aber der nicht anhaltende Strom an Touristen, den wir schon von umserem Homestay aus beobachten konnten, schreckte uns dann doch ab. - Also entschieden wir uns für den Pidurangula, was wir nicht bereuen sollten!
Zuerst ging es über hunderte von in den Fels gehauenen Stufen hinauf, dann kraxelten wir über Felsen, und den letzten Abschnitt kletterten wir auf allen Vieren hinauf, bis wir die 200 Höhenmeter geschafft hatten. Aber es war definitiv die Mühe wert: oben angekommen, erwartete uns ein atemberaubendes Panorama!
Wieder zurück in unserem Homestay gab es erstmal ein tolles Frühstück, bevor unser nächstes Highlight begann: Eine Jeep-Safari durch den Mineriya-Natiomalpark.
Suriya hatte alles für uns organisiert, so dass wir nur in den Jeep zu steigen brauchten - und los ging's.
Der Miniriya-Nationalpark ist einer der kleineren Nationalparks von Sri Lanka. Er besticht jedoch durch seine spektakuläre Sumpflandschaft und den dichten Dschungel. Zahlreiche exotische Vögel, Affen, Krokodile, Füchse, und Wasserbüffel gab es zu sehen. - Und natürlich auch Elefanten aus nächster Nähe. Wir alle waren beeondruckt von der Gelassenheit, die die Dickhäuter ausstrahlen.
Es war wirklich der perfekte letzte Tag für uns in Sigiriya. Morgen verabschieden wir uns von Suriya und Familie, denn uns zieht es weiter ak die Ostküste – Wir brauchen ein bisschen Sonne, Strand, Meer.
Sri Lanka hat uns in diesen ersten Tagen herausgefordert, überrascht und berührt. Von Negombos chaotischer Realität bis zu den stillen Momenten im Dschungel von Sigiriya und Begegnungen mit Elefanten. Dieser Start hat uns gezeigt: Diese Reise wird nicht immer bequem sein, aber garantiert unvergesslich.